Civil War Z – Zemmour contra totum

Der elitäre Nationalist Éric Zemmour hält noch an alten Werten und Ideologien fest. Dieser Präsidentschaftskandidat will unbedingt eine nationale und sogar religiöse Identität in Frankreich schaffen. Die religiöse Identifikation ist ohne Haltung. 80% der Franzosen sind nicht gläubig oder nicht praktizierend. Daher ist es nicht verwunderlich, dass fundamentalistische Katholiken nur Wunschdenken als Politikvorschäge haben. Weder V. Pécresse, noch M. Le Pen, noch É. Zemmour wollen die „Ehe für alle“ in Frage stellen. Was den reaktionären Kräften eher stört, ist das sie sozialen Strukturen wiederhaben möchten. Sie interessieren sich nicht für die Realitäten auf dem Feld, oder auf die sozialen und technischen Entwicklungen, sondern nur wie ihre Rituale gesellschaftlich allgemeingültig sein sollten. Solche „réacs“ Wählen gerne für ihren oben genannten „Champion“.

Zemmour ist nicht ein Mustermenschenfreund. Er hat sich fast zwanzig Jahre leidenschaftlich zerstritten und sich in identitäre Ideologien verrannt. Als würde er Präsident der Republik werden wollen um seine Midlifecrisis zu überwinden. Dabei liebt er die französische Kultur mehr als das französische Volk; warum sonst ist er so alarmiert über die muslimische Immigration, jedoch gelassener wenn es um die verstärkten sozialen Ungleichheiten das verschlechterte Klima oder auch die niedrige Moral der Bürger geht. Während sich Marine Le Pen sich den (ex-)Arbeiter in (de)industrialisierten Regionen näherte und schon lange vor Zemmour ein weitreichendes, wenn auch linkstendenziöses, Wirtschaftsprogramm vorschlägt ist Zemmours Bewegung elitärer. Dazu hat sie autoritäre und antirepublikanische Tendenzen.

Darunter redet Zemmour stehts abwertend über Immigranten. Allein schon ihrer hohe Fortpflanzungsrate, also ihre Existenz, ist für ihn ein Problem: als Zemmour in einer Rede den Einwanderern einen Drittel aller Geburten in Frankreich zuschrieb, haben seine Zuhörer bzw. Anhänger gebuht, als wäre die bloße Anwesenheit der Fremden ein Affront gegen ihre Identität bzw. das einzige woraus Leute stolz sein können, die selbst nichts konstruktiv beitragen können. Die Rechten haben jahrelang versucht sich von radikaleren Elementen zu distanzieren, auch Marine Le Pen. Der rechtsgerichtete Bürgermeister von Béziers Robert Ménard hatte sich über Umstände der Immigration geärgert und war schockiert, als er hörte, dass Zemmour die Immigranten persönlich angriff, was Ménard nie tat. Ménard wollte die Immigration neu regulieren, nicht abschaffen, wobei 60% der Franzosen auch seiner Meinung sind. Indes macht Zemmour die Immigration und den Islam für so ziemlich alles verantwortlich was in Frankreich nicht stimmt. Die Wallonen, Genfer und Québeker Immigraten interessieren ihn nicht, wie so auch nicht jene Afrikaner südlich des Äquators nur jene Immigranten aus muslimischen Ländern.

In ganz dichotomisch-essentialistischer Auffassung teilt er Frankreich in zwei Zivilisationen ein und denkt in einer Logik eines zivilisatorischen Bürgerkrieges. Sein state of mind macht schon allein wegen seiner verbalen Brutalität angst. Wie Donald Trump bewiess kann verbale Gewalt, wenn sie vom Präsidenten kommt, oft in physischer Gewalt umschlagen. Das er, Zemmour, ängstlich über eine Zukunft ist, die er kaum aktiv beeinflusst hatte, zeigt auch die Tendenz französischer Politiker: viel zu sagen und wenig zu machen.

Julien Sita, 7. Februar 2022.

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