Theoretische Politik als Philosophie?

Theorien in der Politikwissenschaft werden der Philosophie zugeschrieben. Während Historiker oft Schwierigkeiten zwischen Fallbeispiel und Kategorie zu unterscheiden, wie im Fall der drei Arten von Herrschaften laut Max Weber wo es sich um Kategorien handelte, gibt es weitere politische Theorien, welche nicht von Historikern bestätigt werden können. Der Philosoph Jürgen Habermas meinte Verfassungspatriotismus sei zureichend um eine Demokratie zu erhalten, wobei mein Vorlesungsprofessor Lutz Raphael 2019 ihm widersprach, dass würde kein historisches Beispiel finden. Politische Philosophien sollten daher zuerst geprüft werden, bevor sie unmittelbar zur politischen Praxis werden.

Anarchismus, Kommunismus und Sozialismus sind daher Beispiele fehlgeschlagener Ideologien und ich rate allen Antikapitalisten eine Revolution zu veranstalten, die historisch gesehen sehr fraglich ist, denn laut dem Antikapitalisten Jean Ziegler habe es nur eine genuin kommunistische Gesellschaft gegeben: die Pariser Kommune und zwar zwischen März und Mai 1871. Wenn man die Welt verändern will, muss man zuerst bei sich anfangen und dies rate ich den Grünen und Lifestylelinken; zuerst sollten sie vorbildlich sich dem Massenkonsum abwenden, bevor sie gegen die Konsumgesellschaft predigen. Nachdem man selbst zum Vorbild durch Taten geworden ist verändert man sein Dorf/Stadtviertel und dann nach und nach seine Heimatregion. Und vor allem sollte man nicht herablassend urteilen, sondern auch versuchen wie dies der Rhetorikexperte Clément Viktorovitch ratet: mit wenig Worten einen zum Nachdenken zu bringen. Eine Weltrevolution zu veranstalten wie dies die Bolschewiki 1917 oder die Islamisten ab 1979 versuchten ist m.E. der falsche Weg; man muss kleine Brötchen backen, bevor man große Brötchen backt.

Politische Philosophie wird aber nicht nur von der stark linksgerichteten Science Po an der Sorbonne betrieben, sondern auch von Neurechten, die sich stark vom russischen Neofaschisten Aleksandr Dugin erdacht werden. Kurioserweise meinte er mit seiner „Vierten politischen Theorie“ eine politische Theorie für die Ewigkeit entwickelt zu haben, wobei damit dem Kreml aber weniger beeinflusst haben sollte als westliche Neurechte. Außerdem ist Dugin eine Art Querfrontextremist der versucht links- und rechtsextreme Elemente zusammen zu verbinden; ähnlich wie dies schon die Nationalbolschewisten in der Russischen Föderation oder während der Weimarer Republik taten. In der Regel sind diese Art von Neurechten wie Alain Soral oder Marine Le Pen rechtsextrem in sozialen Fragen und linksradikal in ökonomischen Fragen. Vermutlich habe ich Dugin auch überschätzt, da der Diktator Putin sehr stark am Faschisten Iwan Iljin hing und ihm vor der Invasion der Ukraine alleine schon 2021 sehr oft zitierte, obwohl Dugin mehrere Jahre schon die Annexion der Ukraine vorschlug.

Julien Sita, 21. Juli 2022.

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