Ambivalente historische Persöhnlichkeiten

Mikhael Gorbatschow galt für mein jugendliches Ich als politischer Held, der die eigene diktatorische Herrschaft ablehnte und das eigene Land demokratisierte, sowie gleichzeitig für Friedensabsicherungen mit den NATO-Staaten vereinbarte. Heute ist mein Bild differenzierter: Einerseits wollte er die Demokratisierung, doch schien er eine „gelenkte Demokratie“ zu bevorzugen wo er an der Macht blieb. Er wollte mehr Staatstransparenz, doch haben die Ukrainer damit angefangen an die Machthaber in Moskau stark zu zweifeln, als Gorbatschow erst seine Bevölkerung über den Super-GAU in Tschernobyl informierte, als das Ausland radioaktive Anomalien drei Tage danach bemerkte. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker gestand er den anderen Nationen des Warschauer-Paktes zu, aber nicht in der Sowjetunion selbst. Im Auswärtigen hatte er für den Frieden gesorgt, aber die Unabhängigkeitsbewegung der baltischen und kaukasischen Völker auch mit dem Militär unterdrückt. Im Westen wird Gorbatschow als Held gefeiert, während in Russland er von den Jüngeren vergessen und von den Älteren gehasst wird, weil er am Ende seiner Herrschaft verantwortlich für Massenarmut durch Misswirtschaft und die Auflösung der Sowjetunion war. Die russische Elite hasst ihm wegen Letzteres, da der Wille zur Macht, Geld und Ruhm alles ist, was dieser nihilistischen Führungsriege interessiert. Die Wiedersprüche des Gorbatschow-Regimes die zum Teil höchst unmoralisch sind, sind in Putins Regime kein Thema für einen Fürstenspiegel, da Moral in diesem Herrschaftssystem nur Facade ist.

Julien Sita, 26. August 2022.

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