Gibt es universelle Werte ?

Jeder will glücklich werden und das Glück ist das summum bonum des Lebens. Aber jeder strebt nach seinem eigenen Glück und ein universal gültiger Egoismus macht keine universalen Werte aus, da Werte m.E. dem Egoismus übersteigen sollen. Wenn es keine universalen Werte gibt, dann müssen wir uns damit resignieren, dass es der Egoismus ist, der die Welt im Frieden hält. Zum Beispiel: nicht der Frieden als Wert, sondern der egoistische Wille nach einem friedlichen bzw. auch glücklichen Leben ist der Grund, weswegen die Menschen Frieden wollen. Dieselben Interessen, so kann man sagen hat jeder Mensch: Nahrung, Gesundheit, Bildung, Freiheit, Sicherheit, Selbstentfaltung etc.. Aber eine Begierde und ein Wert sind zwei verschiedene Konzepte – die manchmal auf dasselbe zutreffen können.

Da der Egoismus beim Menschen prädominant ist müssen „Werte“ nicht rein selbstlos betrachtet werden. Wenn man Wert auf Freiheit, Freundschaft und Familie legt dann meint man konkret damit oft die eigene(n). Den Wert der Werte hängen also oft mit dem eigenen guten Willen zusammen.

Empathie ist eine Norm, aber nicht alle Menschen empfinden dieses Gefühl und wenn dann nicht mit jedem oder nicht zu jeder Zeit. Mitgefühl bringt Mitfreude und Mitleid, die Solidarität und den Willen nicht weh zu tun ermöglichen. Gefühle als Basis der Moralität und damit universell gültiger Werte ist für mich die plausibelste Idee, aber Psychopathen und Soziopathen können dieses Gefühl nicht empfinden. Die Vernunft als Basis der Moral anzusehen ist m.E. schwer, da sie eher Idealvorstellungen sowie Mitteln Wege erkennen kann ohne jedoch den Willen zureichend alleine zu beeinflussen. Gefühle sind also sehr variabel und daher sind universelle Werte ein schwieriges Problem.

Bevor man versucht universale Werte zu erkennen, muss man zuerst offizielle Werte und den praktischen Umgang damit genau identifizieren. Dies wird aber noch schwieriger, da alte Werte oder Konzepte auch wieder Mode werden könnten und neue Werte auch entstehen können.

Neben der Erhaltung alter Werte wie Familiensinn, Freundschaft, Solidarität und Respekt soll m.E. auch gerechte Umverteilung und ökologisches Bewusstsein als neue Werte vermittelt und erzogen werden. Beim ökologischen Bewusstsein soll kein asketischer Lebensstil verherrlicht werden, sondern Verzichtbereitschaft andere richtige Handlungen sowie pragmatischer Umgang mit der Wirklichkeit. Unter „gerechter Umverteilung“ muss unterstrichen werden, dass nicht damit gemeint ist, dass jeder Gehalt gleichgeschaltet werden soll, sondern, dass soziale Ungleichheiten bis zu einem gewissen Punkt inakzeptabel sind und Steuerzahlungen für alle gelten sollten. Niemand verdient einen Monatslohn, mit dem man mehrere Jahrzehntelang leben kann. Milliardäre können ruhig existieren können, Billiardäre besitzen indes verschwendetes Geld, d.h. mehr Geld als sie je ausgeben können. Außerdem sind überdimensionierte Superreiche eine Gefahr für den Staat, weil sie mehr Macht haben als Staaten.

Der heutige Materialismus-Individualismus hat die sozialen Bindungen immer schwerer gemacht. Familie, Freundeskreis, Kameradschaft etc. gelten in der modernen Welt, als zerstörte oder dysfunktional gewordene Institutionen. Distanzierung gegenüber den eigenen Verwandten, Undankbarkeit gegenüber den eigenen Eltern und Kollaboration der Eltern bei den Sünden ihrer Kinder zeigt wie Kriminalität und Einsamkeit florieren. „Freunde“ und „Partner“ werden schnell ersetzt und Beziehung bleiben oberflächlich. Materielle Interessen mit reichen Bekannten sowie hedonistischer Lustgewinn werden zu der Basis kurzlebiger Beziehungen. Vertrauensverluste steigen, ebenso die Paranoia innerhalb der Gesellschaft. Die einzelnen Individuen sind vom eigenen Nutzen getrieben und lassen sich einfach vom Staat oder von einem großen Konzern oder einer Bank bestechen oder einschüchtern. Der Mangel an Solidarität innerhalb der Bevölkerung zeigt auch, dass vielmehr gestritten wird als für gute Zwecke zusammengearbeitet wird. Alleine kann ein „kleiner Mann“ nichts tun und fühlt sich somit vom System unterdrückt. Die materialistisch-egoistischen falschen Ideale, die stillschweigend vermittelt werden, verschärft den Prozess einer anomischen Gesellschaft bei dem Geld und Macht das einzige sind, wo es im Leben geht. Die Armen und Unterdrückten werden in diesem Klassenkampf leer ausgehen und anstatt solider sozialer Bindungen zu entwickeln denkt jeder in der Basis nur daran zur Elite dazuzugehören. Einheit, Vertrauen und solidarische Zusammenarbeit fehlt so sehr innerhalb der Basis, dass sie nicht fähig sein wird die Elite zur Vernunft zu zwingen, sondern an der Spitze einer korrupten Elite zu gelangen – auch wenn zahlreiche aus der Basis und der Elite dabei zugrunde gehen. In einer Gesellschaft ohne moralische Grundlage kann nicht einmal die Regierung seine Bevölkerung nicht schützen. Wenn der Prozess der moralischen Anomie sich in zwei-drei Generationen radikalisiert, wird die westliche Welt und andere materialistisch-egoistische Kulturräume untergehen – und auch nicht von anderen Kulturen vermisst werden. Die kleinen Länder mit gesundem Menschenverstand werden mit etwas Glück die selbstzerstörerische Eitelkeit großer Mächte überstehen. Verdorbene Gesellschaften oder zumindest Gesellschaften mit verdorbener Regierung sind auch die Gründe für die niedrige Geburtenrate und hohe Emigration.

Doch ich schweife ab. Universelle Werte existieren also m.E. bestenfalls nur in abstrakt-idealisierter Form universeller Interessen, die gegenseitig respektiert werden – wenn überhaupt diese moralische Gewohnheit besteht. Der Glaube an die Vorstellung an „universeller Werte“ ist für mein Weltbild wichtig, aber ihr Wesen ist in der Tat etwas sehr kompliziertes.

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