TEIL II: Das Wesen der vier Todsünden der Wirtschaftswelt
XENOPHON: In kleinen Gruppen waren soziale Hierarchien meistens relativ locker. Gemeinschaften, die nicht wie religiöse Sekten funktionierten, neigten scheinbar zu mehr Solidarität und bestenfalls zu mehr freiheitlichen Bedingungen.
Viele antiken Stadtstaaten im Mittelmeerraum neigten dazu an dem politischen Entscheidungsprozess eine breitere Schicht der Bevölkerung einzubeziehen und nicht nur, wenn überhaupt, eine königlichen Herrscherfamilie. Oft haben auch keine Monarchen an der Spitze der griechischer, italischer und phönizischer Stadtstaaten gestanden, sondern Ältestenräte und andere kollegiale Institutionen. Die Entscheidungsgewalt lag in der antiken Welt oft nicht in den Händen eines Staatsoberhaupt. Erst durch das römische Kaisertum änderte sich nach und nach die Vorstellung wie ein Staat regiert wird und regiert werden sollte. Die Monarchie wurde im europäischen Mittelalter zur gewöhnlichen Staatsform. Eine Alleinherrschaft war es aber meistens auf dem Papier, weil der König oder Kaiser von den Feudalherren abhängig war, die ihm Gehorsam versprachen, aber die Steuergelder und die Armee der Königs in den Feudallehen verwalteten. Die Herzöge und Grafen hatten also bedeutende Machtinstrumente in ihrer Hand. Der König von Frankreich Ludwig XIV. wies die Macht des französischen Hochadels nach und nach in seine Schranken. Er konnte seine lange Herrschaft dadurch sichern, indem er alles was Rang und Namen hatte in Versailles deponierte und es ausspionierte. So vermied er, dass die Nobilität Intrigen gegen ihren König schmiedete.
Im mittelalterlichen Dorf waren alle Formen von Devianz und anders sein nicht toleriert und die Privatsphäre war praktische inexistent. Im laufe des Mittelalters wurden die freien Bauern zu einer Randgruppe degradiert und immer mehr Bauern wurden hörig. In den Gilden der Kaufmänner und Zünfte der Handwerker gab es währenddessen mehr freiheitliche Zustände. Am Ende des Mittelalters wurde das System der Villikation immer mehr obsolet und stattdessen wurden Pachtverträge erstellt.
[…]
Kurz vor Mittag beendete Xenophon seine Vorlesung zu den „vier Todsünden“.
Xen: Nun werde ich zwei Arbeitsgruppen bilden, da ihr euch scheinbar auf zwei Wurzeln der vier Übeln geeinigt habt werden Hypathia und Ariston den seelischen Mängeln und Thrasymachos und Zénon den physischen Mängeln für morgen erörtern.
Jeder bedankte sich für seine Mühe bei der Vorlesung, doch war jeder im innersten verbittert mit seinem Todfeind zusammenarbeiten zu müssen.
[…]
Hyp: Dabei möchte ich noch dazu sagen, dass viele Neureiche auf die Armen herabsehen und vergessen, woher sie kommen. Ihre Vorurteile sind sogar unlogisch. Sie reden von einem individuellen Alleinerfolg. Der Mensch ist ein soziales Wesen und die Wirtschaft ist daher eine Sozialwissenschaft. Wer meint er ist aus eigener Kraft reich geworden, der hat eine höhere Meinung von sich selbst als ihm recht ist. Das ist die Definition der Hochmut.
Ari: Ich denke auch, dass das ganze betrachtet werden sollte. Ein Philosoph, der vor 250 Jahren geboren war, meinte nur das „Ganze“ sei das „Wahre“. Je mehr ich die Dinge kenne und auch ihre Zusammenhänge entdecke, desto mehr denke ich, dass dies richtig ist.
Hyp: Nicht umsonst ist Hegel einer der bedeutendsten Philosophen im deutschsprachigen Raum. Seine Theorien sind meines Erachtens sehr einfallsreich, auch wenn seine Philosophie selbst für andere Philosophen unmittelbar sehr schwer zu verstehen ist. Dabei haben Philosophen zu oft Wirtschaftsideologien erdacht und viel zu wenig Handlungskünste oder auch Techniken für den Wirtschaftlichen Akteur.
Ari: Aber ist der Verstand, als denkender Planer, wichtiger oder unwichtiger als das Herz, als Antrieb sowie Handlungsprinzip?
Hyp: Bei sind notwendig um das richtige durchzuführen. Die erste Bedingung ist ohne die zweite Bedingung unzureichend. Der richtige Plan benötigt auch die richtige Handlung und vis-versa, sonst kann das richtige Ziel nicht erreicht werden.
Ari: War dein Ziel nicht den Sozialstaat zu verteidigen?
Hyp: Ja genau! Der Sozialstaat solle Nahrung, Behausung, Medikamente, Kleidung und Bildung garantieren müsse. Der Sozialstaat muss erhalten werden, weil sonst sind Massenarmut, Hyperinflation und extreme soziale Ungleichheiten schwer zu kämpfen. Viele sind oder werden Arm aus unglücklichen Umständen. Jeder Mensch weiß über die Willkür, Launigkeit und Brutalität des Schicksals bestens bescheid. Im Alten Testament steht ein bekannter Spruch der etwa besagt, dass wenn wir Gott unsere Pläne erzählen wird er lachen.
Ari: Athene lacht auch über die Torheit der Ökonomen, die ihren Mythos als Logos verkauften und Kassandra nicht ernst nehmen wollten, als sie und einige wenige die Weltwirtschaftskrise um 2007 vorhersagten. Ökonomie ist eine Sozialwissenschaft, also eine, die wahrscheinliche Vorhersage erstrebt und nicht, wie die Naturwissenschaften, auf exakte Vorhersage.
Hyp: Anstatt große Theorien zu erdenken, die aussehen wie ein Wunderrezept sollten Politiker sich von den Resultaten ihrer Versuche leiten lassen. Ein Versagen oder Erfolg wird zu sehr ideologisch erklärt. Pragmatismus und Resultat sollte man eher üben und nicht metaphysische Abstrusitäten, die gefährliche sind für das Allgemeinwohl.
Ari: Ich widerspreche, denn die Metaphysik ist Notwendig. Begriffe sollten klarer durch Erfahrung erkennt werden, aber es ist wichtig die Definition eines Begriffs zu perfektionieren. Präzision in der Sprache ist auch bei allen Arten von Wissenschaften gefragt.
Hyp: Darüber müssen wir unbedingt nochmal reden Ari.
[…]
(Fortsetzung folgt)
XENOPHONS APHORISMEN ZUR ÖKONOMIE
§1 ARBEITSLOSIGKEIT: Es gibt drei Arten von Arbeitslosen: Faulpelze, verzweifelte Seelen und die ambivalenten Zwitter, die zum Teil mitschuldig an ihrer Situation sind – auch wenn sie arbeiten wollen.
§2 WIRTSCHAFT UND DEMOKRATIEDEFIZIT: Eine Firma wird entweder von einen Verwaltungsrat (conseil d’administration) oder einen Manager geleitet, aber kann es sich nicht leisten 51% des Kapitals den Arbeitsnehmer der Firma zu geben, weil ein Konsens in mittleren und großen Firmen um Entscheidungen zu fällen unmöglich ist; ein einheitliches Ziel zu erstreben, welches Profit einbringen würde nicht zustande kommen. Realistischer wäre es den CEO von einer periodischen Generalversammlung der Arbeitnehmer auszuwählen.
[…]
(Fortsetzung folgt)